Mal eine kleine Zusammenfassung von Petra Fröhlich!
Fröhlich am Freitag: Lichterloh in Gütersloh - die Ascaron-Insolvenz und die Folgen
Ascaron kenne ich seit jenen glorreichen Zeiten Mitte der 90er, als die Gütersloher Firma noch als "Ascon" firmierte. In den darauffolgenden Jahren führte mich mein Weg regelmäßig ins beschauliche Westfälische, seien es die Fußballmanager der Anstoß-Serie (damals noch unter der Ägide von Gerald Köhler, der heute den Fußballmanager von EA Sports verantwortet), hervorragende Wirtschaftssimulationen wie Port Royale und Patrizier 2 und schließlich der Diablo-Herausforder Sacred.
Petra Fröhlich über die Insolvenz von Ascaron.
Viele langjährige Bekannte arbeiten mit und für Ascaron.
Vor wenigen Stunden erreichte uns die schockierende Meldung, dass die Ascaron-Geschäftsführung Insolvenz anmelden musste - ein Insolvenzverwalter prüft nun, was man mit dem Studio und seinen knapp 100 Beschäftigten anstellen könnte. Insolvenz bedeutet: Der Firma ist zahlungsunfähig - begründet wird dies hauptsächlich mit den vielen Verzögerungen an Sacred 2 für PC und Xbox 360. Lang ist die Liste bekannter deutscher Studios, denen das Geld ausgegangen ist - darunter Software 2000 (Bundesliga Manager, Pizza Syndicate) oder 10tacle (Codename Panzers, Elveon, GTR). Auf internationaler Ebene hat es zuletzt Midway (Wheelman, John Woo's Stranglehold) erwischt.
Leicht paradox mutet die gleichzeitige Ankündigung eines Sacred 2 Add-ons und Sacred 3 an - wie kann eine Firma, die kein Geld mehr hat, solch vollmundige Projekte stemmen? Dies ist ein Signal an mögliche Geldgeber: "Seht her, wir wollen unbedingt weitermachen". Auch von der Pleite bedrohte Firmen wie Opel werden nicht müde, auf den Erfolg ihrer Produkte hinzuweisen (in diesem Fall eben der Insignia).
Denn eine Insolvenz bedeutet - anders als landläufig angenommen - nicht zwangsläufig das endgültige Aus für eine Firma. Ganz im Gegenteil: Es wird zum Beispiel geprüft, ob der Betrieb mit frischem Geld und weniger Mitarbeitern weitergeführt werden kann. Im Falle von Ascaron könnten Technologie oder Markenrechte an einen Konkurrenten verkauft werden. Oder ein finanzkräftiger Publisher - beispielsweise Koch Media/Deep Silver (Risen, Geheimakte Tunguska) oder Ubisoft (Die Siedler, Anno 1404) - schluckt Ascaron.
Nur im allerschlimmsten Fall geht das Licht aus: keine Interessenten, kein Geld, keine Gehälter, keine Spiele.
Für das (Spiele-)Entwicklungsland Deutschland ist die heutige Nachricht ein schwerer Schlag. Klar, auf Titel wie Jack Keane, Anno 1701, Drakensang, den EA Sports Fußballmanager und The Book of Unwritten Tales können die deutschen Studios stolz sein. Doch während hiesige Browsergames-Entwickler wie Bigpoint (Seafight), Travian Games oder Gameforge (Metin 2, Legend Online) vor Kraft kaum laufen können, wird die Lage gerade für traditionelle Studios immer brisanter. Nur Konzerne wie Electronic Arts, Ubisoft oder dtp haben das Geld, die Geduld und den langen Atem, um Big-Budget-Produktionen wie Crysis, Anno 1404, Risen oder Battleforge überhaupt zu finanzieren und auf den Markt zu bringen.
Ist die Finanzierung auf Kante genäht, führen Release-Verschiebungen nicht selten dazu, dass mancher Titel überstürzt auf den Markt kommt und dann nachgebessert werden muss - peinlich, langwierig, teuer. Hoffen wir, dass den Xbox 360- und Playstation-3-Versionen von Sacred 2 (beide erscheinen Mitte Mai) dieses Schicksal erspart bleibt.
"Der Tag, an dem wir uns nicht verbessern, ist der Tag, an dem wir einen Schritt zurück machen", so lautet das Credo auf Ascarons Firmenwebsite. Jeden Tag ein bisschen besser - das klingt nach Rewe und Klinsmann. Aber es weckt auch Erinnerungen an viele, viele Patches, Updates, Bugfixes. Immer wieder macht die Firma Negativ-Schlagzeilen mit ihren unfertigen Produkten, nicht selten im Doppelpack mit rustikalem Selbstbewusstsein und katastrophaler Informationspolitik gegenüber den wackeren Fans, die in ihrer Nachsicht und ihrem Engagement auf einer Stufe stehen mit der Gothic-Community.
Unrühmlicher Höhepunkt: das Bug-Debakel Anstoß 4. Wer weiß - mit etwas mehr Qualität hätte vielleicht nicht Drakensang, sondern Sacred 2 die vielen hunderttausend Euro abgeräumt, die Bundesregierung und Spielehersteller vor wenigen Wochen mit dem Deutschen Computerspielpreis verteilt haben.
Ich wünsche Ascaron und vor allem seinen Mitarbeitern, dass die Gespräche mit Investoren schnelle Ergebnisse bringen. Und Ihnen, liebe Leser, wünsche ich - trotz der nicht so fröhlichen Nachrichten des heutigen Tages - ein schönes Wochenende.
Ihre
Petra Fröhlich
Fröhlich am Freitag