(Ost-)Deutschland, dein brauner Sumpf

Begonnen von jeto, 12. Juli 2023, 08:40:55

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jeto

Das Fichtelgebirge, der Harz, die Sächsische Schweiz, die Mecklenburger Seenplatte, alles wunderbare Landschaften, die zum Träumen einladen.
Warum in den Urlaub fliegen, wenn doch so viel Schönes direkt "vor der Haustür" liegt?
Ausgedehnte Wanderungen, die Seele baumeln lassen, in glasklaren Gewässern die nötige Abkühlung an heißen Tagen abholen.

"Neuerdings", mit deutlich mehr medialer Präsenz als bisher, finden auch andere Zufluchtsorte in diesen Regionen Zuspruch.
Braune Sümpfe, unheilvoll blubbernd, inmitten idyllischer Gegenden, die so viel mehr sind als das. Und doch darf man nicht verschweigen, dass zusehends mehr Interesse an diesen Umgebungen besteht, vor allem die Ferienfreizeit bietet Ausflüge dorthin an. Teils ohne Wiederkehr, man lässt sich dort nieder, zufrieden damit, dass man eben nicht wie im glasklaren Wasser bis auf den Grund sehen kann, sondern die braune Oberfläche alles ist, was es zu sehen gibt - das, was man sieht, ist die Wahrheit.
Viele geben sich damit genau aus diesem Grund zufrieden, denn wer den Grund des Sees erkennen kann, wird dort auch manch eine unliebsame Entdeckung machen. Doch sind es oftmals genau diese Entdeckungen, die uns im weiteren Leben prägen, festigen und auf Kommendes vorbereiten können.
Gibt man sich wiederum mit dem Offensichtlichen, der braunen Oberfläche zufrieden, wird sich der Horizont nicht erweitern, man bleibt auf ewig auf der Strecke, die Erde bleibt eine Scheibe - ohne jeglichen Tiefgang.

Braune Sümpfe in diesen Gegenden, so munkelt man, können durch die Verrottung von Zukunftsperspektiven, Aussichtslosigkeit und daraus entstandenem Frust und Aggression erwachsen sein. Ehemals klare Gewässer sind nun trüb und undurchsichtig, sie trocken zu legen und wieder neu entstehen zu lassen, wird ein schwieriges Unterfangen für alle.
Allen voran müssen legitimierte Frauen und Herren mit Klartext und Handeln Perspektiven schaffen, auch die Basis muss an sich und ihren Generationen arbeiten, Hass darf keine Option sein!

Damit wieder alle unsere Sehenswürdigkeiten bunt sind und keine weiteren glasklaren Gewässer vertrüben.
AJFM
FC Lipsia Lions, Liga 2 (S83)
Erfolge:
Teilnahme Europapokal (S71)

Olbrany

Hallo Jeto,

ein schöner Text. Ich stamme selbst aus dem Osten, lebe schon viele Jahre im "Westen" und konnte meinen eingeschränkten Blickwinkel glücklicherweise erweitern und viele Vorurteile abbauen.

Ich habe mir in dieser Woche ein 2,5-stündiges Interview mit dem Autor des Buches "Der Osten - eine Westdeutsche Erfindung", Prof. Oschmann, angehört und hierin auch ein paar Anhaltspunkte gefunden, warum sich die Lage und das Denken im Osten gegenwärtig so gestaltet. Das ist nicht immer nur Hass auf Ausländer, sondern teilweise schon seit 1989 durch verschiedene Benachteiligungen entstanden.

Ganz interessant der Hinweis, dass die führenden Rechten (egal ob AFD oder bei den Neonazis) fast ausnahmslos aus dem "Westen" kommen.

Die Politik muss sich schnellstens anstrengen, die Menschen wieder einzufangen und vor allem nicht auszugrenzen. Es geht nur über gute Politik, weniger Gegeneinander (gerade in der Ampel) und mehr Rücksichtnahme auf die Belange der Bürger. Gelingt dies nicht, sprechen wir bald nicht nur über einen AfD-Landrat oder Bürgermeister, sondern bald schon über den ersten Ministerpräsidenten.
"Durch Bierhoffs Einwechslung hat sich nichts geändert. Im Gegenteil."

Yps

Zitat von: Olbrany am 12. Juli 2023, 10:52:45Hallo Jeto,

ein schöner Text. Ich stamme selbst aus dem Osten, lebe schon viele Jahre im "Westen" und konnte meinen eingeschränkten Blickwinkel glücklicherweise erweitern und viele Vorurteile abbauen.

Ich habe mir in dieser Woche ein 2,5-stündiges Interview mit dem Autor des Buches "Der Osten - eine Westdeutsche Erfindung", Prof. Oschmann, angehört und hierin auch ein paar Anhaltspunkte gefunden, warum sich die Lage und das Denken im Osten gegenwärtig so gestaltet. Das ist nicht immer nur Hass auf Ausländer, sondern teilweise schon seit 1989 durch verschiedene Benachteiligungen entstanden.

Ganz interessant der Hinweis, dass die führenden Rechten (egal ob AFD oder bei den Neonazis) fast ausnahmslos aus dem "Westen" kommen.

Die Politik muss sich schnellstens anstrengen, die Menschen wieder einzufangen und vor allem nicht auszugrenzen. Es geht nur über gute Politik, weniger Gegeneinander (gerade in der Ampel) und mehr Rücksichtnahme auf die Belange der Bürger. Gelingt dies nicht, sprechen wir bald nicht nur über einen AfD-Landrat oder Bürgermeister, sondern bald schon über den ersten Ministerpräsidenten.

Da teilen wir ja ein ähnliches Schicksal. Auch wenn der Vergleich derbe hinkt kann man sich da schon fast wie ein Deutsch-Türke mit Blick auf die Erdogan-Wahlen sehen. Was kümmert's einen noch, was in der (alten) Heimat schief läuft. Das sich dieser Sumpf aber mehr und mehr ausbreitet, sollte tatsächlich jedem zu Denken geben. Deutschland ist eben nicht mehr nur schwarz-rot-gold, sondern tatsächlich bunt auf der ganzen Farbpalette. Und wenn Berlin oder die Landeshauptstädte nicht alsbald gegen die Politikverdrossenheit vorgehen und wie von Dir erwähnt auf den Wähler eingehen, wird 2025 ein blauer Landesvorsitz noch das geringste Problem sein...

Corns

#3
Zitat von: Olbrany am 12. Juli 2023, 10:52:45Ich habe mir in dieser Woche ein 2,5-stündiges Interview mit dem Autor des Buches "Der Osten - eine Westdeutsche Erfindung", Prof. Oschmann, angehört und hierin auch ein paar Anhaltspunkte gefunden, warum sich die Lage und das Denken im Osten gegenwärtig so gestaltet. Das ist nicht immer nur Hass auf Ausländer, sondern teilweise schon seit 1989 durch verschiedene Benachteiligungen entstanden.

Hotel Matze? Habe ich auch gehört. Fand seinen Blick auch sehr erfrischend und hat mir auch nochmal geholfen, die Elterngeneration besser zu verstehen.

Auch seine Rechnung 20 Prozent Lohnunterschied zwischen West und Ost, 20 Prozent mehr AfD-Wähler, fand ich einen interessanten Denkanstoß.

Olbrany

Zitat von: Corns am 12. Juli 2023, 14:23:47Hotel Matze? Habe ich auch gehört. Fand seinen Blick auch sehr erfrischend und hat mir auch nochmal geholfen, die Elterngeneration besser zu verstehen.

Auch seine Rechnung 20 Prozent Lohnunterschied zwischen West und Ost, 20 Prozent mehr AfD-Wähler, fand ich einen interessanten Denkanstoß.

Genau, Hotel Matze. Ich muss zugeben, dass ich die Fülle an Benachteiligungen, wie sie noch heute bestehen, nicht auf dem Schirm hatte. Wobei ich beim geringeren Lohn gerne anführen möchte, dass die Mieten - zumindest in den ostdeutschen Städten die ich kenne - deutlich niedriger sind, wenn auch keine 20 Prozent niedriger.
"Durch Bierhoffs Einwechslung hat sich nichts geändert. Im Gegenteil."

Toto-77

Zitat von: Olbrany am 12. Juli 2023, 10:52:45Ich habe mir in dieser Woche ein 2,5-stündiges Interview mit dem Autor des Buches "Der Osten - eine Westdeutsche Erfindung", Prof. Oschmann, angehört und hierin auch ein paar Anhaltspunkte gefunden, warum sich die Lage und das Denken im Osten gegenwärtig so gestaltet. Das ist nicht immer nur Hass auf Ausländer, sondern teilweise schon seit 1989 durch verschiedene Benachteiligungen entstanden.

Wo lief das? Gibt es das noch irgendwo zum nachhören?


köpper

#7
Die politische Ausrichtung mancher Regionen sorgt immer wieder für Kopfschütteln. In Westen Westdeutschlands aufgewachsen sind die Wähler hierzulande auch nicht unbedingt besser.
Im Bundesland mit den meisten Kirchenaustritten bzw. in dem die wenigsten Leute religiös geprägt sind sind die Christdemokraten eine wenn nicht die stärkste Partei bei den Wahlen. Auch werden in Städten die Naturschutzparteien häufig gewählt, wo es doch kaum örtliche Landwirtschaft gibt. In den Bundesländern mit den niedrigsten Ausländerquoten wird rechts gewählt. Aus Ostdeutschland zugezogene haben kaum rechte Ansichten oder nur sehr gemäßigte politische Ansichten bzw. haben die Ansichten abgelegt, also muss es wohl hauptsächlich an der Gesellschaft liegen. Die Entwicklung im Westen ist allerdings genauso besorgniserregend, da trotz vieler gemeinnütziger Verbände, bunter Veranstaltungen usw. die Zahl der Frustwähler besorgniserregend zunimmt, auch hört man immer wieder dieses Gebrabbel. Weil es doch angeblich nicht so schlimm sei :)

P.S.: Und es sind selbstverständlich die ehemalaigen Nichtwähler, die nun massiv auf Veränderungen durch Wahlen, hin zum besseren drängen

Toto-77

#8
Danke für die Links avatar_Corns
Habe es noch nicht ganz gehört, aber die erste Stunde war schon ziemlich gut und einfach auch mal andere Sichtweisen als von einem Wessi (wie mir).
#Augenöffner

köpper

Wen das Thema noch nicht ausgereizt hat kann sich noch dieses Picken

Ueberflieger


If you wait until you can do everything for everybody, instead of something for somebody, you'll end up not doing nothing for nobody. - Malcolm Bane