Prolog: Sternenstaub
Die Welt hat nicht auf dich gewartet.
Die Erkenntnis ist bitter, aber nur allzu wahr. Als ich vor zwei Jahren auf dem absoluten Höhepunkt meiner Karriere die Fussballschuhe an den Nagel hängte, erlangte ich fast gleichzeitig die UEFA-Trainerlizenz. In gewisser Naivität nahm ich an, dass mir alle Türen offen stünden. Zumindest jene bei dem Verein, dem ich während meiner Spielerkarriere fast durchgehend die Treue gehalten hatte. Ich wurde enttäuscht.
Auf dem Höhepunkt brach alles wie ein Kartenhaus zusammen. Investoren zielten lieber auf schnelle Gewinne ab als auf langfristigen sportlichen Erfolg. Nach drei Meistertiteln in Serie und dem Gewinn der Champions League wurde der Club ausgeblutet. Das Tafelsilber verschachert, Identifikationsfiguren wie mir die Türe vor der Nase zugeschlagen. Von all dem wollte ich erst einmal nichts wissen, machte ein Sabbatical und bildete mich weiter. Letztes Jahr konnte ich in den Niederlanden, der Heimat meines vielleicht grössten Fans, bei einem meiner Vorbilder anheuern. Im Staff von Erik ten Hag von Ajax Amsterdam lernte ich viel dazu. Vor allem wurde mir bald klar, welche Spielphilosophie ich als Trainer verfolgen will.
Aber dazu musste ich im rauen Fussballbusiness erst einmal einen Job als Cheftrainer erhalten. Im Frühsommer 2020 war es soweit. Nachdem ich die Clubführung mit meinen Unterlagen überzeugen konnte, habe ich bei Crewe Alexandra für ein Jahr unterschrieben. Das leicht heruntergekom-mene Crewe im Nordwesten Englands, knapp 50 km südlich von Manchester, ist vor allem für seine Auto- und Eisenbahnindustrie bekannt. Der Verein selbst wurde in dieser Tradition begründet. Der Name geht wohl auf Prinzessin Alexandra zurück, obwohl das nicht hundertprozentig verbürgt ist. Jedenfalls ziert er auch das Stadion, das genau wie die Stadt selbst schon etwas in die Jahre gekommen ist.
Nun gut, mein Einjahresvertrag gibt mir nicht das Gefühl, dass ich hier bin, um eine neue Dynastie einzuläuten. Immerhin konnte ich mir eine Ausstiegsklausel erhandeln. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird der Verein entweder mein Sprungbrett für höhere Sphären oder aber ich scheitere grandios. Schon als Spieler habe ich mich nicht mit Fussball in den Niederungen des englischen Ligasystems zufrieden gegeben. Das werde ich auch als Trainer nicht. Ich will die Glanzlichter von 2016-2018 zurück, auch wenn ich dafür ganz unten anfangen muss. Das Fussballbusiness ist rau, aber genauso werde ich dem Geschäft gegenüber keine falschen Sentimentalitäten zeigen.
Die Geschichte von Leon Britton ist noch nicht zu Ende...