Mittwoch, der 14. Februar 2007
Interview mit Guido Eickmeyer
Konzept & Spieldesign Anstoss 4 & Edition 03/04
Hallo Guido. Ich freue mich, dass du dich unseren Fragen stellst. Für alle ANSTOSS-Fans jüngerer Stunde, welche Rolle hattest du bei ANSTOSS 4 und den folgenden Teilen?
Hallo Jungs. Bei ANSTOSS 4 sowie der Edition 03/04 war ich als Projektleiter für die Gesamtorganisation der Entwicklung verantwortlich. Das beinhaltet Aufgabenerfassung, Planung, Zuweisung der Tätigkeiten, Kontrolle der Arbeiten, Neuplanung und alles was rund um ein Projekt so anfällt. Kurzum: Wenn man einen Hauptverantwortlichen für die Probleme rund um die 1.0 Version von A4 sucht ist man bei mir wohl nicht an der ganz falschen Adresse angelangt.
Was hast du seit dem Abschied von Ascaron bis jetzt getan? Bist du weiter der Spieleindustrie treu geblieben?
Lang ists her. Der Industrie bin ich indes treu geblieben, zunächst in beratender, externer Funktion – später hat mich dann die tägliche Arbeit mit Teams allerdings wieder gereizt und ich habe zwei Entwicklungen vor Ort betreut. Bis Ende letzten Jahres habe ich dann beim Publisher CDV als Senior Producer gearbeitet und heute bin ich Entwicklungsleiter bei Acony, einer der Hoffnungen der deutschen Developer-Szene.
Hast du die ANSTOSS-Teile nach deinem Abschied von Ascaron gespielt oder bist du seitdem der Serie fern geblieben? Was hältst du von der Entwicklung von ANSTOSS?
Um ehrlich zu sein: Ich spiele keine Fußball-Manager mehr. Zumindest nicht ansatzweise in dem Ausmaß in dem ich sie früher nächtelang gezockt habe. Wer Entwicklungen wie unsere von Anfang bis Ende durchmacht, dem wird dieses Hobby eindeutig verleidet. Das hängt weniger an den Rückschlägen oder Problemen im Laufe einer Produktion als daran, dass der ‚Zauber’ verschwindet. Du siehst hinter jedem Feature die Formeln und mögliche Wege die Spiellogik auszutricksen. Da bleibt kein Raum für Phantasie – und ohne die macht kein Spiel wirklich dauerhaft Freude. Wollte ich mir heute einen Manager zulegen, wüsste ich allerdings auch nicht für welches Produkt ich mich entscheiden sollte. Dazu fehlt mir einfach mittlerweile der Einblick – ich befürchte aber, dass sich an den generellen Rahmenbedingungen nicht viel geändert haben dürfte.
Seitdem du von ANSTOSS weg bist ist der Humor ein wenig aus dem Spiel verschwunden. Vieles wurde an Ereignissen wiederholt oder stammt noch aus der Zeit in der du aktiv warst. Kannst du diese Entwicklung erklären und findest du, dass ein 100% ernster Manager und ein ernstes Handbuch eine bessere Entscheidung sind?
Nun, dass ist ein Frage der Zielsetzung die man verfolgt. Abgesehen von allen technischen Unzulänglichkeiten, die Anstoss seit der A3 begleitet haben, konnten Spieler immer wieder erkennen dass durchaus Fans in der Produktion am Werk waren. Das bezieht sich weniger auf mich als auf Gerald Köhler, seinen Bruder Heiko und die vielen anderen Leute um uns herum. Alle hatten Ideen und viele von ihnen fanden sich später auch im Game wieder. Das ging manchmal nach hinten los, oftmals aber war genau dies das Unverwechselbare an der Anstoss-Serie. Der Humor war uns allen wichtig, denn wir wollten unterhalten. Spieler sollten lachen, schmunzeln – an anderer Stelle mitfiebern oder sich über Ereignisse echauffieren. Auch ein Handbuch – selbst wenn es innerhalb von zwei Nächten vor Druckbeginn entsteht (...) muss sich nicht wie ein Beipackzettel lesen.
Wenn du einen neuen Fußballmanager erstellen könntest, was würdest du da an Features reinstecken?
Ich weiß nicht ob ich wirklich gerne wieder einen Fußballmanager entwickeln möchte. Letztlich stehen Aufwand und Ertrag aufgrund des extrem überschaubaren Marktes in keinem adäquaten Verhältnis. Indes denke ich, dass es Zeit wird für etwas wirklich ‚Neues’. Dazu muss das Rad nicht neu erfunden bzw. Unsummen investiert werden. Schaut man sich aber mal die FM- und die Anstoss-Serie an, so hat sich m.E. dort in den letzten Jahren auch nicht viel getan. Genau genommen fehlt mir persönlich der Effekt, den A2 / A2 Gold auf das Genre hatte. Neue Wege zu gehen wäre vielleicht nicht die schlechteste Idee. Die Unmenge an teilweise absurden und nicht nachvollziehbaren Features nimmt immer weiter zu, die Komplexität steigt, ebenso die Fehleranfälligkeit. Meiner Ansicht nach wäre der Zeitpunkt für einen Umstieg auf einen reinen Online-Manager gekommen, allerdings traue ich nur wenigen die Realisation zu. Dazu müsste von Null begonnen und viel Feature-Ballast abgeworfen werden. Ich bin mir aber sicher dass wir da einige Versuche in der kommenden Zeit sehen werden. Hoffentlich ist wenigstens ein ernsthafter darunter.
Wo waren allgemein die Probleme beim Entwickeln eines Fußballmanagers?
Im Grunde lässt sich die Problematik auf zwei Herausforderungen reduzieren. Einerseits wird Content im Ausmaß eines Spitzentitels gefordert, andererseits gibt der Markt aber diese Budgets nicht her. Auf der anderen Seite ist die Komplexität und die Verlinkung der einzelnen Features so extrem wie in kaum einem anderen Genre. Beides führt zwangsläufig zu mangelnder finanzieller Projektausstattung und zu erheblichen Mengen an Fehlerquellen.
Du kennst es ja selbst aus eigener Erfahrung, dass ein Fußballmanager nicht das wird, was er eigentlich sein sollte. Mit ANSTOSS 2007 ist Ascaron das nun ein zweites Mal passiert. Was können Gründe dafür sein und hat Ascaron nichts aus ihren Fehlern gelernt?
Es ist auch schon davor passiert. Anstoss 3 und Anstoss 4 haben beide die Erwartungen nicht bzw. erst nach einigen Patches erfüllen können. Zur aktuellen Version kann ich mich nicht äußern, da fehlt mir der Einblick. Meine Erfahrung mit Ascaron lässt durchaus darauf schließen, dass man aus Fehlern lernen wollte – aber die Bedingungen sind halt aufgrund ökonomischer Faktoren dort nicht optimal. Ich kenne einige der Leute die an der Entwicklung beteiligt waren und sie sind durchaus gefragt in der Branche. Mangelndes Talent bzw. unzureichende Einsatzbereitschaft können jedenfalls kein Problem gewesen sein. Allerdings sollte diese Frage jemand aus dem Team beantworten, denn von außen erhält man nie genügend Einblick um sich ein vernünftiges Urteil bilden zu können.
Und weiter. Wäre eine Spieldarstellung wie beim FM von Si oder wie in ANSTOSS 1 nicht auch eine Möglichkeit die teure 3D-Entwicklung zu vermeiden? Warum hast du es damals anders bei ANSTOSS 4 versucht?
Nun, wir waren halt Idealisten. Wir haben uns – ganz simpel – in der Frage des Aufwands, der Komplexität und unserer Möglichkeiten verschätzt. Wir dachten man könnte eine Entwicklung die ein Spitzenteam bei EA in vielen Jahren geleistet hat innerhalb von 36 Monaten kopieren bzw. noch übertreffen. Letztlich eine wichtige und lehrreiche Erfahrung. Wir wurden quasi auf Normalmaß zurecht gestutzt. Heute würde ich über solche Ideen nur noch schmunzeln, aber dies gilt für so manche Retrospektive. Ich halte die 3D-Darstellung im FM für sehr interessant und denke, dass dies der aktuell beste Weg ist. Für Hardcore-Strategen indes dürfte das CM-System optimale Ergebnisse liefern. Ist halt nicht kombinierbar, man muss sich letztlich seinen Markt aussuchen.
Der FM von EA übernimmt zusehends die Stärken von ANSTOSS, zum Beispiel die Wertungsrunden im Add-On Verlängerung. Wo siehst du Möglichkeiten für ein neues ANSTOSS zum Punkten? Diese Frage kommt ja auch gerade jetzt auf, wo Ascaron etwas Neues, Genreerweiterntes und Innovatives für das Genre Fußballmanager angekündigt hat.
Na, dann warten wir doch mal ab und harren der Dinge die da kommen mögen. Das Kopieren von Features ist gang und gebe im Entertainment Business, zudem läuft das in beide Richtungen. Für die jeweiligen Entwickler ist es doch eine nette Bestätigung, wenn der Konkurrent die eigenen Ideen übernimmt. Dennoch ist m.E. sowohl bei EA als auch Ascaron eine Menge Eigenkreativität vorhanden, das steht fest.
Auf der Homepage deines neuen Arbeitgebers heißt es, dass die Zukunft im Online-Gaming liegt und ihr euch damit auch befasst. Wäre eine Zusammenarbeit mit Ascaron in Sachen ANSTOSS-Online für dich denkbar? Und könntest du etwas zu euren Projekten sagen?
Im Grunde ist in dieser Branche nichts undenkbar, aber ich denke man kann ein solches Szenario ausschließen. Die Zukunft des Gamings liegt natürlich nicht nur im Online-Segment. Nischen-Titel wie Anstoss wird es wohl immer geben, auch Flugsimulatoren oder Hardcore-Strategie stirbt nicht einfach aus. Wenn man sich aber in Richtung der großen Märkte bewegen will bedeutet dass Einsteigerfreundlichkeit, hunderprozentige Stabilität bzw. Useability und unter anderem auch die Ausrichtung auf Online-Funktionalitäten. Ob ein Fußballmanager dazu taugt? Ich denke schon, allerdings nicht in der allgemein avisierten Form. Dazu ist die Thematik einfach zu komplex und zu sehr auf Selbst-Management (Training, Stadion, Verträge, usw.) ausgerichtet. Aber die Games-Industrie lebt von Phantasien, also wollen wir diese auch bis zum Treffen mit der Realität in Ruhe gedeihen lassen.
Auch wenn es etwas ungewöhnlich ist, aber zu unserem Projekten bei Acony möchte ich micht gar nicht ausgiebig äußern. Hier geht es vornehmlich um Anstoss und es wäre unangemessen die Themen zu vermischen. Wir wollen ja keine Werbeveranstaltung beginnen. Aber soviel: Wir werden etwas genreerweiterndes und innovatives für das Genre Onlinegaming machen... Im Ernst: Wir entwickeln unter anderem derzeit mit einem sehr großen Team einen reinen Online-Sports-Titel und dies unter exzellenten Bedingungen. Also aufpassen!
Hast du noch zu irgendwelchen Leuten von Ascaron (auch Ehemalige) oder aus der ANSTOSS-Szene Kontakt?
Zu Ascaron selbst gibt es so gut wie keine Kontakte mehr. Zumeist sind es Ehemalige die man noch häufiger trifft. Mit der Szene habe ich auch kaum noch etwas zu tun. Es bleiben schöne Erinnerungen an einige wirklich tolle Leute, aber der Abstand zu Ascaron brachte auch Abstand zum Forum.
Ein großes Dankeschön an dich, Guido, dass du für uns Rede und Antwort standest.
Für die alten Jungs doch immer. Alles Gute und weiterhin viel Freude beim Zocken.
© Die Anstoss-Mods