Christian Schels
Eine kleine Mail an die besseren Fans
Liebe Schickeria München-Anhänger,
Wohl im Wissen, dass Euer Posteingang nach Euren jüngsten Aktionen in den Spielen gegen Schalke, gegen den HSV und v.a. gegen Gladbach überlaufen muss, sehe ich mich genötigt, Euch zu fragen: Wer denkt Ihr eigentlich, wer Ihr seid?
Um Euch wissen zu lassen, wer sich anmaßt, den heiligen Ultras diese Frage zu ste...llen: ich bin 25, Student, seit rund zehn Jahren Bayern-Mitglied, Dauerkarten-Inhaber und, seit ich über ein Auto verfüge, auch bei diversen Auswärtsspielen im Stadion – sprich, ein klassischer, von Euch so verabscheuter, Haupttribünen-Fan.
Mit großem Interesse lese ich regelmäßig Eure Stellungnahmen auf Eurer Website und nach Euerem heutigen Bericht zu den Geschehnissen gegen Gladbach ist das Fass nun endgültig voll. Warum?
Erstens zeichnet sich die Schickeria (wie alle Ultra-Gruppierungen) durch eine nervtötende, spielunbezogene „Unterstützung“ der Mannschaft aus. Ich kann Euer gleichtöniges Schalala-Gesinge, das selbstverliebt wie vom Blatt vorgetragen wird, nicht mehr hören. Sicher, die Ultras haben neuen Zug in die stark verstaubten Kurven der Republik gebracht, allerdings karrikiert sich diese Bewegung in jüngster Zeit selbst, indem ein- und derselbe Gesang für Minuten wiederholt und so jegliche Spontanität und Emotionalität der Kurve im Keime erstickt wird.
Noch viel schwerwiegender ist die Tatsache, dass Ihr Ultras jeglichen Bezug zum Spiel verloren habt. Beispiele gefällig? Als es die Mannschaft im Februar in Köln fertig gebracht hat, eine 0-2 Pausenführung abzuschenken, hat jeder Bayern-Unterstützer im Stadion gebrannt, die Mannschaft noch irgendwie nach vorne zu bringen. Und die Ultras? Sie singen wie immer in Minute 80: „Gegen alle Stadionverbote!“ – genau das brauchte die Mannschaft in dieser Situation.
Noch bunter habt Ihr es bei dem unsäglichen 1-5 in Wolfsburg 2009 getrieben. Als in der entscheidenden Phase des Spiels von den Sitzplatz-Fans des FC Bayern Unterstützung kam, hat Euer Capo versucht, dies mit wilden Rufen in sein (bescheuertes) Megaphon zu unterbinden, nur weil er sich in seinen egozentrischen Schädel einen anderen Gesang eingebildet hat – das ist wahrer „Support“.
Das Spiel gegen den HSV, bei dem ihr wohl dank Eures Ego-Trips nicht abkömmlich wart, hat klar gezeigt: Die Stimmung ist auch ohne Euch gut. Denn nachdem die Fans des FC Bayern gemerkt haben, die sonst von Eurem Capo, bzw. Euren Capos (ja, für die paar Ultras braucht man mittlerweile mehrere davon) klein gehalten werden, dass sich Eure Tyrannei für heute scheinbar frei genommen hat, hat sich eine fantastische Stimmung entwickelt. Meiner Meinung nach seid Ihr eine Belastung für die Stimmung in der Arena.
Und zweitens erzürnt mich Eure selbstgerechte Herabwürdigung „anderer“ Fans immer mehr. Allein in Eurer heutigen Stellungnahme sind diverse Passagen zu finden, in denen klar herauszulesen ist, wie Ihr Euch im Verhältnis zum Rest seht: Ihr seid die einzig wahren Fans, die Anderen kommen quasi nur wegen Euch. Ihr maßt Euch an, Euch als Retter des „wahren Fußballs“ und echte Fans über alle anderen Unterstützer des FC Bayern zu stellen und auch noch quasi per definitionem zu diktieren, was der einzig wahre FC Bayern-Fan nicht zu letzt in der Causa 1860 und Manuel Neuer zu denken hat.
„Abgesehen davon muss es natürlich trotzdem (zumindest ein paar) Dinge geben, in denen auf das "moralische Veto" der engagiertesten Mitglieder und der Südkurve gehört werden muss.“
„Die "echten Blauen" wollen es nicht (...) und die "echten Roten" wollen es gleich zweimal nicht.“
Hierzu hätte ich zwei Fragen: Wenn ihr die „echten Roten“ seid, wieso nennt Ihr Euch nicht „Schickeria FC BAYERN“, sondern nehmt wie alle Ultras nur Bezug zur Stadt? Und weiter, wenn ihr die einzig wahren Fans/Mitglieder seid, wieso könnt Ihr es nicht unterlassen, dem Verein konstant zu schaden (z.B. mit dem Abbrennen von Feuerwerkskörpern)?
Eure selbstgerechte Diffamierung aller übrigen Fans zeigt das Paradoxon, in dem Ihr Ultras seit Eurer Gründung steckt: Ihr wollt ein neues Stadion, aber den „Kommerz“, der betrieben werden muss, damit Euch ein Uli Hoeneß einen solchen Palast vor die Nase stellen kann, verabscheut Ihr. Ihr wollt die Champions League gewinnen, aber bitte nur mit Eigengewächsen und gegen Eintrittkartenpreise von ca. 3.48 € pro Ticket. Ihr bezichtigt die Polizei der Schikane, begebt Euch bei jeder Gelegenheit in die Opferrolle und singt „Fußballfans sind keine Verbrecher“, aber selber kriegt ihr die schwarzen Schafe (gewollt?) nicht unter Kontrolle. Ihr benennt Euch auf Eurer Facebook-Seite als „open minded“ und seid zwar gegen eine Ordnungspolitik im klassischen Sinne, aber in sich zeichnet sich die Ultra-Bewegung durch eine extreme Hierarchie und durch eine besondere Art der Uniformierung (Keine offiziellen Merchandising-Produkte und der Schal muss auf eine bestimmte Art und Weise gebunden sein) aus.
Lasst Euch fĂĽnf Dinge gesagt sein.
1. Euer vereinsschädigendes Verhalten nervt.
2. Dass Ihr der Kurve jegliche Spontanität genommen hat, nervt ebenso.
3. Ihr seid nicht „Herz & Seele des Vereins“, sondern ein Haufen selbstgerechter, paranoider Kindsköpfe.
4. Der FC Bayern wird Euch ĂĽberleben.
5. Und Uli HoeneĂź als personifizierter FC Bayern wird Euch gleich zweimal ĂĽberleben.
Ich kann mich nur wiederholen: Wer denkt Ihr eigentlich, wer Ihr seid?
Mit den herzlichsten GrĂĽĂźen von der HaupttribĂĽne,
Christian Schels
PS: Ich habe gehört, dass Ihr gerne bestimmen möchtet, welcher Fan Zutritt zum Stadion erhält und wer nicht. Muss ich jetzt um meine Dauerkarte fürchten?
TOP!
